Dr. Mario Castro – Privatpraxis für Endodontie und Mikroskopische Zahnheilkunde in Wien
Historisch gesehen gab es eine Vielzahl von diagnostischen Klassifikationssystemen in der Endodontie, die zur Beschreibung endodontischer Krankheitsbilder verwendet wurden. Leider basierten viele davon auf histopathologischen Befunden und nicht auf klinischen Befunden, was oft Verwirrung, irreführende Terminologie und falsche Diagnosen verursachte. Einer der Hauptgründe für die Feststellung einer pulpa und periapikalen Diagnose besteht darin, die erforderliche klinische Behandlung zu bestimmen. Eine falsche Beurteilung kann beispielsweise zu einer unangemessenen Behandlung führen, einschließlich der Durchführung einer unnötigen endodontischen Behandlung, dem Unterlassen einer notwendigen Behandlung oder der Durchführung einer anderen Behandlung, wenn tatsächlich eine Endodontie erforderlich ist. Ein weiterer wichtiger Grund für die Schaffung eines universellen Klassifikationssystems besteht darin, eine Kommunikationsbasis zwischen Lehrern, Ärzten, Studenten und Forschern zu bieten. Ein einfaches und praktisches System, das Terminologie klinischer Befunde verwendet, ist unverzichtbar und hilft den Ärzten, die progressiven Merkmale von Erkrankungen im Bereich der Pulpa und des periapikalen Bereichs zu verstehen, indem es die richtige Behandlung für jede davon bereitstellt.
Im Jahr 2008 organisierte die American Association of Endodontists (AAE) eine Konsensuskonferenz zur Vereinheitlichung der in der Endodontie verwendeten Diagnosetermini. Ziel war es, allgemeine Empfehlungen zu endodontischen Diagnosen zu erarbeiten; eine standardisierte Definition der grundlegenden Diagnosetermini festzulegen, die von Endodontologen, Drittanbietern, Allgemeinzahnärzten und anderen zahnärztlichen Spezialisten sowie Studenten akzeptiert werden; Mehrdeutigkeiten bei der Überprüfung und Bewertung von Ergebnissen zu beseitigen; und schließlich, radiographische, objektive Test- und klinische Kriterien zur Bestätigung der auf der Konferenz entwickelten Diagnosetermini zu etablieren.
Sowohl die AAE als auch das American Board of Endodontics haben diese Termini akzeptiert und empfehlen deren Anwendung in allen zahnmedizinischen und gesundheitsbezogenen Bereichen. Jeder der folgenden Diagnosetermini wird durch seine typischen klinischen und radiographischen Merkmale definiert, und Fallbeispiele, falls hilfreich. In allen Fällen sollten die Ärzte bedenken, dass Erkrankungen der Pulpa und des periapikalen Bereichs dynamisch und progressiv sind und als solche die Anzeichen und Symptome je nach Krankheitsstadium und Zustand des Patienten variieren können. Dies bringt die Einschränkungen der aktuellen Pulpatests sowie der klinischen und radiographischen Untersuchungstechniken mit sich.
Um eine angemessene Behandlung zu gewährleisten, sollte eine endodontische Diagnose eine Analyse der Pulpa und des periapikalen Bereichs für jeden betroffenen Zahn umfassen.
Untersuchung und Diagnostische Verfahren in der Endodontie
Die endodontische Diagnose ist ähnlich wie das Zusammensetzen eines Puzzles: Eine Diagnose kann nicht aus einem einzigen isolierten Informationsstück gestellt werden. Der Arzt muss systematisch alle notwendigen Informationen sammeln, um eine «wahrscheinliche» Diagnose zu erstellen. Beim Erstellen der medizinischen und zahnmedizinischen Anamnese sollte der Arzt mental eine vorläufige, aber logische Diagnose bilden, insbesondere wenn eine Hauptbeschwerde vorliegt. Klinische und radiographische Untersuchungen, kombiniert mit einer gründlichen parodontalen Bewertung und klinischen Tests (pulpa- und periapikale Tests), werden verwendet, um die vorläufige Diagnose zu bestätigen. In einigen Fällen sind die klinischen und radiographischen Untersuchungen mehrdeutig oder liefern widersprüchliche Ergebnisse, sodass keine endgültigen Diagnosen in Bezug auf die Pulpa und den periapikalen Bereich gestellt werden können. Es ist auch wichtig anzuerkennen, dass keine Behandlung ohne Diagnose durchgeführt werden sollte und der Patient auf eine erneute Bewertung seines Zustands warten oder an einen Endodontologen überwiesen werden sollte.
Untersuchungstechniken, die für eine Endodontische Diagnose erforderlich sind
1. Medizinische/zahnmedizinische Anamnese: vergangene/gegenwärtige Behandlungen, Medikamente.
2. Hauptbeschwerde (falls vorhanden): Dauer der Symptome, Dauer des Schmerzes, Lokalisation, Progression, Reize, Linderung, Schmerzbestrahlung, Medikamente.
3. Klinische Untersuchung: Gesichtssymmetrie, Sinustrakt, Weichgewebe, parodontaler Zustand (Sondierung, Beweglichkeit), Karies, Restaurationen (Undichtigkeiten, neu?).
4. Klinische Tests:
– Pulpatests: Kälte, Wärme, elektrisch.
– Periapikale Tests: Klopfen, Palpation, Beißen.
5. Radiographische Analyse: neue periapikale Aufnahmen (mind. 2), Bissflügel, Kegelstrahl-Computertomographie.
6. Zusätzliche Tests: Transillumination, selektive Anästhesie.
Von der American Association of Endodontists und dem American Board of Endodontics anerkannte Diagnoseterminologie
Pulpa-Diagnosen
– Normale Pulpa: Klinische Diagnose, bei der die Pulpa frei von Symptomen ist und normal auf Pulpatests reagiert. Die Pulpa kann histologisch nicht normal sein, aber eine «klinisch» normale Pulpa zeigt eine schwache oder vorübergehende Reaktion auf Kälte-/Wärmetests, die nicht länger als ein oder zwei Sekunden nach Entfernen des Reizes anhält. Eine wahrscheinliche Diagnose kann nicht gestellt werden, ohne den betroffenen Zahn mit den angrenzenden und gegenüberliegenden Zähnen zu vergleichen. Es ist besser, zuerst die angrenzenden und gegenüberliegenden Zähne zu testen, damit der Patient sich mit dem Gefühl einer normalen Kältereaktion vertraut macht.
– Reversible Pulpitis: Basierend auf subjektiven und objektiven Befunden, die darauf hinweisen, dass die Entzündung abklingen sollte und die Pulpa mit der richtigen Behandlung der Ursache wieder ihren normalen Zustand erreicht. Unwohlsein tritt auf, wenn ein Reiz wie «Kälte» oder «Süßes» angewendet wird und verschwindet innerhalb von Sekunden nach Entfernen des Reizes. Typische Ursachen sind freiliegendes Dentin (dentinäre Hypersensibilität), Karies oder tiefe Restaurationen. In den Röntgenaufnahmen gibt es keine signifikanten Unterschiede im periapikalen Bereich des möglicherweise betroffenen Zahns und die erlebten Schmerzen sind nicht spontan. Mit dem richtigen Ansatz zur Behandlung der Krankheitsursache (z.B. Entfernung von Karies und Restauration; Abdeckung des freiliegenden Dentins) muss der Zahn weiter bewertet werden, um festzustellen, ob die «reversible Pulpitis» in einen normalen Zustand zurückkehrt. Obwohl die dentinäre Hypersensibilität an sich kein entzündlicher Prozess ist, ähneln alle ihre Symptome denen einer reversiblen Pulpitis.
– Symptomatische Irreversible Pulpitis: Basierend auf subjektiven und objektiven Befunden, die darauf hinweisen, dass die entzündete vitale Pulpa nicht heilen kann und eine Wurzelkanalbehandlung empfohlen wird. Zu den Symptomen können intensive Schmerzen gehören, die durch thermische Reize verursacht werden. Andere Anzeichen umfassen anhaltende Schmerzen (normalerweise 30 Sekunden oder länger nach Entfernen des Reizes), spontane oder nicht lokalisierte Schmerzen (Schmerzen, die sich an einem anderen Ort als dem betroffenen manifestieren). In einigen Fällen verschlimmern sich die Schmerzen beim Positionswechsel, z.B. beim Hinlegen oder Vorbeugen, und frei verkäufliche Schmerzmittel sind oft unwirksam. Häufige Ursachen sind tiefe Karies, umfangreiche Restaurationen oder Frakturen, die das Pulpagewebe freilegen. Die Bewertung des Zahnzustands sowie Kälte- und Wärmetests sind die ersten Optionen bei der Bewertung des Pulpazustands in diesen Fällen.
– Asymptomatische Irreversible Pulpitis: Klinische Diagnose basierend auf subjektiven und objektiven Befunden, die darauf hinweisen, dass die entzündete vitale Pulpa nicht heilen kann und eine Wurzelkanalbehandlung empfohlen wird. Diese Fälle zeigen keine klinischen Symptome und reagieren normal auf thermische Tests, obwohl sie möglicherweise ein Trauma erlebt haben oder tiefe Karies aufweisen, die die Pulpa wahrscheinlich bei ihrer Entfernung freilegen.
– Pulpanekrose: Klinische Diagnosekategorie, die den Tod der Zahnpulpa und die Notwendigkeit einer Wurzelkanalbehandlung anzeigt. Die Pulpa reagiert nicht auf Pulpatests und ist asymptomatisch. Die Pulpanekrose verursacht an sich keine apikale Parodontitis (Schmerzen beim Klopfen oder radiographischer Nachweis von Knochenverlust), es sei denn, der Kanal ist infiziert.
– Previously Treated (Vorher behandelt): Klinische Diagnosekategorie, die anzeigt, dass der Zahn endodontisch behandelt wurde und die Kanäle mit verschiedenen Füllmaterialien und intrakanalären Medikamenten gefüllt wurden. Der Zahn reagiert normalerweise nicht auf Kälte-, Wärme- oder elektrische Pulpatests.
– Previously Initiated Therapy (Früher eingeleitete Therapie): Klinische Diagnosekategorie, die anzeigt, dass der Zahn teilweise endodontisch behandelt wurde, z.B. durch eine Pulpotomie oder Pulpektomie. Je nach Phase der Therapie kann der Zahn auf Pulpatests reagieren oder nicht.
Apikale Diagnosen
– Normales apikales Gewebe: Reagiert nicht empfindlich auf Klopf- oder Palpationstests. Radiographisch ist die «Lamina dura», die die Wurzel umgibt, intakt und der parodontale Bereich ist gleichmäßig. Wie bei den Pulpatests sollten immer vergleichende Klopf- und Palpationstests durchgeführt werden.
– Symptomatische apikale Parodontitis: Zeigt normalerweise eine Entzündung des apikalen Parodonts und verursacht klinische Symptome wie eine schmerzhafte Reaktion beim Beißen und/oder Klopfen oder Palpation. Es kann ein periapikaler radioluzenter Bereich vorhanden sein oder nicht, abhängig vom Krankheitszustand und der Dicke des umgebenden Knochens. Die symptomatische apikale Parodontitis kann durch eine persistierende Pulpitis (symptomatische irreversible Pulpitis) verursacht werden und ist das nächste Stadium der Erkrankung, das zu Pulpanekrose und chronischer apikaler Parodontitis führt.
– Asymptomatische apikale Parodontitis: Klinische Diagnose, die normalerweise durch Pulpanekrose verursacht wird und zu einer apikalen Entzündung führt, aber keine klinischen Symptome zeigt. Apikale radioluzente Läsionen wie Granulome, Zysten oder Narben werden normalerweise radiographisch beobachtet. Chronische apikale radioluzente Läsionen sind asymptomatisch, da der Knochen resorbiert wird und kein Druck vorhanden ist, der Unbehagen verursacht.
– Akuter apikaler Abszess: Klinische Diagnose einer eitrigen Entzündung des apikalen Parodonts, die spontane Schmerzen, Druckempfindlichkeit, Klopf- und/oder Palpationsempfindlichkeit verursacht. Die Reaktion kann sich schnell entwickeln und der Patient kann Fieber, Unwohlsein und Lymphadenopathie haben. Der Zahn kann eine apikale radioluzente Läsion haben oder nicht. Die Schwellung kann auf den intraossären Bereich beschränkt sein und eine Tumefaktion (lokalisierter Abszess) bilden oder sich auf die mukosalen oder dermalen Bereiche ausbreiten und eine Zellulitis (diffuser Abszess) verursachen.
– Chronischer apikaler Abszess: Klinische Diagnose einer Entzündung, die durch den Eiterausfluss über einen Sinustrakt im Zusammenhang mit Pulpanekrose gekennzeichnet ist. Normalerweise ist er asymptomatisch, da der Sinustrakt abfließt und so einen Druckaufbau verhindert. Radiographisch kann er mit einer apikalen radioluzenten Läsion verbunden sein.